„Nach dem Hoch­wasser ist vor dem Hochwasser. Deshalb ist es wichtig, abgelaufene Hochwasserereignisse gründlich zu analysieren und auch die Erfahrungen aus anderen Regionen mit zu nutzen.“

Dr.-Ing. habil. Uwe Müller
Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie

In sechs Monaten zum Masterplan

An dem Masterplan „Hochwasserresiliente Stadt- und Gebietsentwicklung für das Einzugsgebiet von Inde und Vicht” sind zahlreiche Institutionen, Kommunen und externe Expertinnen und Experten beteiligt gewesen. Mit dem klaren Ziel: die vielversprechendsten Maßnahmen zu identifizieren, um die Widerstandsfähigkeit gegen die Folgen von Extremhochwasser in der Region zu verbessern.

Als Mitte Juli 2021 aufgrund eines ausgeprägten Tiefdruckgebiets anhaltende und intensive Regenfälle über dem Westen Deutschlands niedergingen, waren die Folgen bekanntlich gravierend: Das Extremhochwasser, unter anderem im Einzugsgebiet von Inde und Vicht, führte zu ungekannten Überschwemmungen. Massive Zerstörungen waren in Stolberg, Eschweiler und weiteren Kommunen die Folge. Die Angst vor der Wiederkehr eines Hochwasserereignisses ist seither groß, bei Bürgerinnen und Bürgern, der Wirtschaft und beim Einzelhandel.
Für den WVER war klar: Der Wiederaufbau der Städte muss hochwasserresilient und nachhaltig sein – und die zukünftigen Herausforderungen infolge des Klimawandels berücksichtigen, vor allem in Hinblick auf die Überschwemmungsrisiken durch Hochwasser. Der WVER hat daher einen Masterplan „Hochwasserresiliente Stadt­ und Gebietsentwicklung für das Einzugsgebiet von Inde und Vicht“ entwickelt. Mit dem Ziel:

  • die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu erhöhen
  • durch hochwassersichere Betriebe und Geschäfte die Existenzen und Arbeitsplätze
    der Menschen zu sichern
  • kostenintensive Fehlinvestitionen beim Wiederaufbau zu vermeiden und
  • die verschiedenen Interessen von Hochwasserschutz, Ökologie, Stadtbild und Wirtschaft zu berücksichtigen.

Hochwasserrisiken gemeinsam reduzieren

Klar war von Anfang an: Es geht nur Hand in Hand. Für eine erfolgreiche hochwasserresiliente Stadt- und Gebietsentwicklung ist die effektive Zusammenarbeit zwischen den Kommunen, dem Land, den Bürgerinnen und Bürgern und dem WVER notwendig – einhergehend mit regelmäßiger Information und Kommunikation.
Um bestmögliche Maßnahmen und Projekte im Masterplan zu identifizieren, wurde das Projektteam sehr breit aufgestellt. Neben dem WVER und dem Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft RWTH Aachen University (IWW), die zusammen mit der Projektleitung für die Ausarbeitung der Ergebnisse verantwortlich sind, wirkte eine Vielzahl von Fachleuten mit. Diese steuerten in Workshops und Fachtreffen ihr Know-how und ihre Kompetenz aus unterschiedlichen Fachgebieten bei, um alle Facetten des Hochwasserrisikomanagements abzudecken: von Wasserwirtschaft und Wasserbau über Stadt- und Regionalplanung bis hin zum Katastrophenschutz.
Auch die Vertreterinnen und Vertreter der betroffenen Kommunen mit ihrer technischen Expertise und den entsprechenden Ortskenntnissen waren stets involviert. Zusätzlich existiert eine übergeordnete Aufsicht zur Kontrolle und Abnahme von Ergebnissen. Dieser Lenkungsausschuss besteht aus politischen Abgesandten des Landesumweltministeriums NRW (MULNV), Vertreterinnen und Vertretern der Bezirksregierung Köln, Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern bzw. Beauftragten der betroffenen Kreise und Kommunen sowie Vertreterinnen und Vertretern des WVER und des IWW.

Rur bei Orsbeck

Rur bei Orsbeck.

Prioritäten und zeitliche ­Umsetzung geprüft

Während des Projektverlaufs erarbeiteten die Beteiligten zahlreiche Maßnahmenvorschläge für die Verbesserung der Widerstandsfähigkeit gegen die Folgen von Hochwasser, bündelten die Einzelvorschläge zu Projekten und strukturierten die Maßnahmen hinsichtlich Projektart, Priorität, zeitlicher Umsetzbarkeit und erforderlicher Aktivität. Zudem bot das HochwasserKompetenzCentrum (HKC) Bürgerinnen und Bürgern im Verbandsgebiet flankierend kurzfristig eine Hochwasserberatung vor Ort an. Weit über 1.000 Beratungsgespräche haben seitdem stattgefunden.
Die Erarbeitung des Masterplans ist im geplanten Zeitrahmen (September 2021 bis März 2022) erfolgt. Die durch das Projekt erarbeiteten Vorschläge werden nun sukzessive weiterverfolgt (siehe Projektübersicht). Um Missverständnissen vorzubeugen: Der Masterplan beinhaltet keine vollständig erarbeiteten Hochwasserschutzkonzepte oder dezidierte Bauleitplanungen. Vielmehr bündelt und priorisiert er Handlungsempfehlungen für die Verbesserung der Widerstandsfähigkeit. Und er setzt Leitlinien, die künftig in der Bauleitplanung Berücksichtigung finden können. Zudem gibt er Empfehlungen zum Umgang mit Entwicklungsflächen. Somit ist der Masterplan der Ausgangspunkt für eine hochwasserresiliente Stadt- und Gebietsentwicklung.

Maßnahmen öffentlich vorgestellt

Von anfangs rund 190 Maßnahmen haben die Projektbeteiligten rund 170 als geeignet bewertet, und diese wurden letztlich zu 63 Projekten gebündelt. Im April und Mai dieses Jahres haben die Projektverantwortlichen die Projekte auf Informationsveranstaltungen den politischen Verantwortungsträgern in den entsprechenden Städten und Gemeinden im Einzugsgebiet von Vicht und Inde vorgestellt. Überdies haben die Expertinnen und Experten während der Fachtreffen zahlreiche überregional anwendbare Empfehlungen zur Verbesserung der Hochwasserresilienz ausgesprochen.